Sabrina Fröhlich ist Heilpraktikerin auf dem Gebiet der Psychotherapie, Autorin, Dozentin, Expertin für Hochsensibilität. Im heutigen Interview geht es um die Soziale Phobie und was diese Erkrankung für Betroffene bedeutet.
Welche spezifischen Symptome und Merkmale charakterisieren aus Ihrer Erfahrung heraus die soziale Phobie, und wie unterscheiden sie sich von anderen psychischen Störungen?
Die Soziale Phobie gehört laut ICD-10 (Internationalem Klassifikationssystem für Erkrankungen) zu den Angststörungen. Es ist die Angst, kritischen Blicken anderer ausgesetzt zu sein, die Angst, im Mittelpunkt der Betrachtung anderer zu stehen und sich peinlich sowie ungeschickt zu verhalten. Gleichzeitig besteht eine ständige Furcht vor Kritik. So kann es als Kind oder Jugendlicher mit sozialer Phobie eine große Herausforderung sein, ein Referat vor der Klasse zu halten. Schüler haben oft Schwierigkeiten, sich am mündlichen Schulunterricht zu beteiligen, neue soziale Kontakte zu knüpfen und werden häufiger gemobbt als andere. Später im Berufsleben haben Betroffene ebenso Nachteile, fühlen sich gestresst durch die Anforderungen, denen sie nicht gerecht werden. Sie meiden Leistungssituationen und befinden sich selten in Führungspositionen. In schweren Fällen dieser Angststörung, können die Betroffenen nicht im Restaurant essen, nicht ins Kino gehen, keinen Sport im Verein oder im Fitnessstudio treiben, waren teilweise noch nie auf einer Party. All diese sozialen Tätigkeiten, werden so gut es geht vermieden. Auch soziale Kontakte werden häufig gemieden oder sind von Menschen mit sozialer Phobie nur schwer aufrecht zu erhalten. Es kann in sozialen Situationen (wie z.B. Referat, Vortrag, Teambesprechung, Party…) dann zu folgender Symptomatik kommen: Schwitzen, Erröten, Herzrasen, das Gefühl, gleich in Ohnmacht zu kippen, Panik. Häufig ist neben der Symptomatik der Angsterkrankung die Vermeidung der angstauslösenden Situationen das eigentliche Problem. Dieses Vermeidungsverhalten kann die Betroffenen in ihrer Entfaltung behindern, psychisches Leid – vor allem Einsamkeit – erzeugen. Wichtiger Unterschied zu manch anderen psychischen Störungen ist, dass die Erkrankung häufig bereits in der Jugend beginnt. Besonders abzugrenzen ist die Schüchternheit, welche ein Persönlichkeitsmerkmal ist und keineswegs ein Störungsbild darstellt. Aus einer Sozialphobie können unter Umständen weitere psychische Probleme folgen. Zieht sich ein Mensch immer mehr zurück, hat kaum soziale Kontakte, kann es sein, dass er immer mehr vereinsamt und sich isoliert fühlt. Die Folge kann eine depressive Episode sein.
Welche therapeutischen Ansätze haben sich Ihrer Meinung nach als besonders wirksam bei der Behandlung von sozialer Phobie erwiesen, und welche Methoden bevorzugen Sie persönlich in Ihrer Arbeit?
Es gibt längst eine großangelegte multizentrische Studie des – vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten – Forschungsverbund zur Psychotherapie der Sozialen Phobie, kurz SOPHO-NET. Die Forscher untersuchten die Wirksamkeit von Psychotherapien bei Menschen mit sozialer Phobie. Ich zitiere dazu Professor Dr. Falk Leichsenring, der diesen Forschungsverbund geleitet hat: „Eine soziale Phobie ist überwindbar. Besonders gut geeignet für die Behandlung sozialer Ängste ist die Psychotherapie, vor allem die kognitive Verhaltenstherapie sowie die psychodynamische Therapie“.
Die Ergebnisse der Studie sind eindeutig: Eine Psychotherapie kann dazu beitragen, dass sich die sozialen Ängste der Betroffenen deutlich verbessern. Ihre depressive Verstimmung kann sich bessern und die klinischen Symptome können abnehmen oder verschwinden ganz. Auch zwei Jahre nach Therapieende profitieren (laut der Studie) fast 70 Prozent der Patienten von der Behandlung. Ich selbst arbeite bei der Sozialphobie ebenso mit der kognitiven Verhaltenstherapie (nach Heilpraktikergesetz), integriere zusätzlich die systemische Therapie (nach Heilpraktikergesetz), schaue mir Kindheitsprägungen an und arbeite mit meinen Patienten an Ihrem Selbstbewusstsein. Es konnte in einigen Studien belegt werden, dass Depression, Ängste, Somatisierungsstörungen, Burnout und soziale Phobie häufig mit einem niedrigen Selbstwert einhergehen. Laut der Selbst-Psychologie, die auf den amerikanischen Psychiater Heinz Kohut zurückgeht und in den 1960er Jahren konzipiert wurde, verhindert ein verzerrtes Selbstbild einen guten Kontakt zu sich selbst und seiner Umwelt. Für mich ist es unabdingbar das Thema Selbstwert zu beleuchten. Die Wurzeln des Selbstwertes liegen häufig in unserer Kindheit, somit ist auch die Kindheit ein Teil der Therapie. Gerne integriere ich mehrere Methoden, dazu habe ich stets meinen „Methodenkoffer“ vor Augen und schaue, welche Methode zum Patienten passt, damit dieser an sein Ziel kommen kann. Gerne gebe ich auch Übungen mit nach Hause. Der Patient kann also auch Hausaufgaben bekommen, wenn er dies wünscht. Wir sprechen in meiner Arbeit nicht nur. Der Patient „darf“ im echten Leben aktiv werden.
Wie gehen Sie in Ihrer Praxis mit Patienten um, die unter sozialer Phobie leiden, und welche individuellen Herausforderungen stellen sich oft bei der Behandlung dieser Störung?
In meiner Heil-Praxis für Psychotherapie (nach Heilpraktikergesetz) behandle ich u.a. auch Patienten mit sozialer Phobie. Oftmals ist die soziale Phobie eine Nebendiagnose und die Patienten suchen mich in einer depressiven Episode auf. Nämlich dann, wenn das Leid zu groß wird. Meine therapeutische Haltung ist geprägt von der humanistischen Psychologie. Ich vertraue darauf, dass die Antwort auf Schwierigkeiten in jedem Menschen innewohnt und fördere die Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit. Ein empathischer und feinfühliger Umgang ist für mich eine Selbstverständlichkeit, nicht nur bei Patienten mit Sozialphobie. Dennoch gibt es manchmal Besonderheiten. So kann es z.B. vorkommen, dass es nicht möglich ist, mit einem Betroffenen einen Termin telefonisch zu vereinbaren, da dieser nicht in der Lage ist, zu telefonieren. Es kann auch sein, dass der Betroffene nur in Begleitung kommen kann, da er sich noch nicht überwinden kann, allein zu kommen. Auch die therapeutische Beziehung kann im Aufbau anfangs erschwert sein und länger dauern als gewöhnlich. Doch genau davon ist ein Therapieerfolg – laut Studie zu ca. 80% – abhängig: Von einer guten, therapeutischen Beziehung.
Welche Rolle spielen unterstützende Maßnahmen wie Selbsthilfegruppen oder soziale Fertigkeitentrainings bei der Bewältigung von sozialer Phobie, und wie können sie in eine umfassende Behandlung integriert werden?
Neben einer Einzeltherapie können Gruppentherapie, Selbsthilfegruppen oder Fertigkeitentrainings zusätzlich stattfinden und runden eine bestmögliche Unterstützung ab. In einer Einzeltherapie kann man sehr individuell an den Themen, Erfahrungen, Prägungen und Belastungen des Betroffen arbeiten. Das ist in einer Gruppentherapie nur schwer möglich. Hier geht es eher darum, innerhalb der Gruppe zu üben, positive Rückmeldung – z.B. für einen gehaltenen Vortrag – einzuholen, sein Selbstbewusstsein zu steigern und mutiger zu werden. Doch jede Gruppentherapie hat auch mal ein Ende und an dieser Stelle kann es Sinn machen, weiter in einer Selbsthilfegruppe Anschluss zu finden. Besonders positiv zu erwähnen: Nichts ist so wertvoll, wie soziale Kontakte, die innerhalb von Gruppenangeboten entstehen können. Durch andere Menschen fühlen wir uns wertvoll und als ein Teil der Gesellschaft.
Welche Empfehlungen oder Ratschläge haben Sie für Menschen, die selbst mit sozialer Phobie kämpfen, aber möglicherweise noch keine professionelle Hilfe in Anspruch genommen haben?
Menschen mit sozialen Ängsten haben in der Regel eine Reihe an negativen Erwartungen bezüglich bestimmter sozialer Situationen. Und auch eine Therapie stellt eine soziale Situation dar. Es ist oftmals kein leichter Schritt, sich professionelle Unterstützung zu suchen. Besonders für die Kontaktaufnahme mit einem Therapeuten o.ä. benötigt der Betroffene viel Überwindung und Mut. Meine persönliche Empfehlung: Berichten Sie dem Therapeuten bereits im Erstkontakt von Ihrer sozialen Phobie, damit dieser darauf eingehen kann. Sollte die Hürde, sich professionelle Hilfe zu suchen, noch zu groß sein, kann es hilfreich erscheinen, sich mit dem Thema weiter vertraut zu machen. Das Internet bietet da unglaublich viele (auch gute!) Angebote. Ebenso kann die Vernetzung zu Gleichgesinnten über professionelle Organisationen eine gute Möglichkeit bieten, sich wieder zugehörig und nicht ganz so einsam zu fühlen. Schritt für Schritt. Mit der Zeit wird es leichter fallen, aktiv zu werden und wieder soziale Situationen aufzusuchen, anstatt zu vermeiden. „Raus aus der Vermeidung“ ist für die Bewältigung sozialer Ängste enorm wichtig. Das Ziel ist anfangs nicht, frei von Angst in eine soziale Situation zu gehen – sondern sich trotz der Ängste der Situation zu stellen und zu erleben, dass man diese Situation eigenständig bewältigen kann!
Vielen Dank für das Interview.